Endlich wieder Theater im großen Haus! Nach der Premiere des Stückes im September 2021 folgten bereits vier spektakuläre Aufführungen, die allesamt mit standing ovations des Publikums für die Schauspieler William Cooper, Anna Drexler, Damian Rebgetz und Anne Rietmeijer honoriert wurden. Zurecht und hoch verdient!
Ein minimales Bühnenbild wird mit für den Zuschauer intensiv zu spürender Freude , Heiterkeit, Selbstverständlichkeit und Intensität zum (Schau-) Spiel und Sujet bespielt. Imaginierend, therapierend, wird doch ein Kaleidoskop von Emotionen, Licht, Musik und Poesie angesprochen und lässt beim Zuschauenden etliche Gefühlssaiten mitschwingen.
Gespielt wird die Geschichte um die unerfüllte Liebe zu Beatrice, die Dante in seinem autobiographischen, Reflexionen und Sonette vereinenden Werk "Das neue Leben" bruchstückhaft erzählt nicht wirklich. In spielerischen Ansätzen probieren die vier Schauspieler immer wieder den Inhalt der Danteschen Liebesgeschichte dem Publikum zu vermitteln. Sie tun dies immer wieder neu, indem sie vier unterschiedlich miteinander interagierende , wettstreitende Emotionen verkörpern, welche das Wechlsebad der Gefühle des Lieblelsujets erlebbar machen. Ergänzt wird dies durch Klangliches aus der Jetztzeit wie Whitney Houstons "I Will Always Love You", Britney Spears "Baby One More Time", Meat Loafs "I Would Do Anything for Love (But I Won't Do That)" und Natasha Bedingfields "These Words".
Alles wirkt dabei so alltäglich und selbstverständlich wie nur irgend möglich, humorvoll, spielerisch leicht, verspielt, typisch Zwischenmenschliches skizierend, mit dem sich jeder Zuschauende in eigener biographischer Weise wieder finden kann.
Das musikautomatisch spielende vorprogrammierte Klavier, das seinen eigenen Willen zu haben scheint und immer von selbst spielt, (Titel s.o.) schafft die Verbindung zu Dantes Sonette mit einem anderen Notenschlüssel zu einem musikalischen Paradies, in dem Hymnen von Meat Loaf und Britney Spears etc. ewiglich funkeln. Um die Frage der Idealisierten oder die echte Liebe, der Botschaft, dass gegen die Zeit kein Ankommen ist, letztendlich der Triumph der Imagination über die Erdenschwere – darum geht es aus Sicht des Kritikers.
Der Tod und das Wissen, um die verpassten Chancen, brechen zunächst als Traum und dann auch tatsächlich in die Inszenierung im gefühlten zweiten Teil ein. Beatrice ist gestorben. Das Licht im Saal verlöscht langsam. Vom Bühnenhimmel kommt eine einzige, an einer Art Kran-Arm befestigte Lampe herunter, die in einem minutenlangen Zwischenspiel über der ansonsten dunklen Bühne kreist. "Das neue Leben" geht über in "Die göttliche Komödie", löst sich in ihr auf. Für die Dauer dieses Intermezzos, das vielleicht ins Paradies führt und mit dem Auftritt von Viviane De Muynck als tote, von Dante heraufbeschworene gealterte Beatrice mündet, bemüht Regisseur Christoph Rüping die ganze Maschinerie des Theaters. Zurück zu Beatrice: sie spricht über das Altern, lässt die Fragen Dantes an sich abprallen, das hat genau die Tiefe und die Leichtigkeit des ersten Teils der Inszenierung. An dieser Stelle sei auf das Interview mit Viviane de Myunck über Liebe, das Altern und Lebensfragn wärmstens zur Lektüre empfohlen https://www.schauspielhausbochum.de/de/news/8446/ich-ware-gern-eine-exzentrische-alte-weise-frau.
Anaphora
Weitere unbedingt sehenswerte Aufführungen am 26. und 27.11.21 im Schauspielhaus Bochum.
https://www.schauspielhausbochum.de/de/stuecke/7962/das-neue-leben