Die frisch gegründete „Bürgerinitiative Deutsches Fotoinstitut“ mit den Initiatoren und Essener Bürgern Dr. Axel Wiesener und Dr. Richard Kiessler will noch etwas stoppen, was sie auch Wochen nach dem Entscheid in Berlin als „skandalös“ empfinden. Denn der Bund will das Deutsche Fotoinstitut in Düsseldorf ansiedeln, obwohl eine Expertenkommission und eine Machbarkeitsstudie zuvor Essen als den am besten geeigneten Standort empfohlen hatten.
An die Politiker geht deshalb die klar formulierte Aufforderung, den Beschluss, für den es bis heute keine sachliche Begründung gibt, nicht einfach hinzunehmen und politisch noch einmal aktiv zu werden.
Schreiben an Abgeordnete des Deutschen Bundestages:
Bürgerinitiative Deutsches Foto-Institut
Herren
Abgeordnete des Bundestages
Sebastian Fiedler
Dirk Heidenblut
Matthias Hauer
Kai Gehring
Stephan Keuter
je einzeln
Betrifft Deutsches Foto-Institut
die Entscheidung des Haushaltsausschusses zur Bewilligung der Mittel für ein zu gründendes Deutsches Foto-Institut wirft Fragen auf; diese haben wir im beiliegenden Schreiben an den Vorsitzenden dieses Ausschusses aufgelistet. Wir bitten Sie, sich auch ihrerseits dieser Fragen anzunehmen.
Sollte die Antwort des Vorsitzenden des Haushaltsauschusses ergeben, dass die bewilligten Mittel nicht für eine Errichtung dieses Instituts am - nach allen objektiven Gutachten- geeigneteren Standort Essen verfügbar sind, fordern wir Sie auf, geltend zu machen, dass die im Etat des Bundeskanzlers für das Institut eingestellten Haushaltsmittel dort einzusetzen sind, wo der Zweck des Projektes Deutsches Foto-Institut am besten zu erreichen ist. Das ergibt sich aus den von der Regierung in Auftrag gegebenen Gutachten. Die Regierung ist dann zu veranlassen, eine geänderte Beschlussvorlage an den Haushaltsausschuss zu richten.
Die in einem Rundfunkinterview von der Staatsministerin für Kultur am 1. Dez. d.J. vertretene Ansicht, dass die Regierung auf Grund von früher gefassten Beschlüssen gebunden gewesen sei, den Standort Düsseldorf in der Beschlussvorlage zu belassen, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand; denn die von ihrer Vorgängerin auf Staatskosten in Auftrag gegebenen Fachgutachten hatten gerade die Aufgabe zu ermitteln , an welchem Standort die von dem geplanten Institut wahrzunehmenden Aufgaben am besten erfüllt werden können. Das wäre sinnlos und eine Verschwendung von Steuergeldern gewesen, wenn dem Ergebnis der Gutachten in der Regierungsvorlage an den Ausschuss nicht hätte Rechnung getragen werden können. Gern hören wir von Ihnen und grüßen Sie freundlich
Dr. Richard Kiessler
Dr. Axel Wiesener
Anhang
KONZEPT FÜR EIN BUNDESINSTITUT FÜR FOTOGRAFIE
im Auftrag der Staatsministerin für Kultur und Medien Prof. Monika Grütters MdB
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Die Gründung eines Bundesinstituts für Fotografie wäre ein klares Signal der Bundesregierung, der Fotografie den Rang einzuräumen, der ihr gebührt. Es wird der Sichtbarkeit der Fotografie als Medium in der ganzen Breite ihrer Anwendungen und den Leistungen hervorragender zeitgenössischer deutscher Fotografinnen und Fotografen im nationalen und internationalen Rah- men dienen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich fördern.
Als Rechtsform empfiehlt sich eine auf Dauer angelegte, gemeinnützige Stiftung des öffentlichen Rechts.
Die besondere Fürsorge des Bundesinstituts sollte den Vor- und Nachlässen herausragender zeitgenössischer und in diesem Zusammenhang auch den künstlerischen Fotografinnen und Fotografen gelten, die einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Fotografie und fotografischer Ausdrucksformen geleistet haben. Die vom Bundesinstitut in seine Sammlung aufgenommenen fotografischen und dokumentarischen Bestände dienen als Quellenmaterial für die kunstwissenschaftliche, fotohistorische sowie medien- und bildgeschichtliche Forschung.
Das Bundesinstitut leistet die notwendige Forschung in Fragen der Restaurierung und Konservierung, um an der international rasant fortschreitenden technologischen und industriellen Entwicklung der Trägermaterialien, Farben oder digitale Speicherung teilzunehmen und die Resultate zu vermitteln. Damit unterstützt und berät das Bundesinstitut für Fotografie auch andere bestehende museale und archivarische Einrichtungen durch seine fachliche Expertise bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und setzt dabei nationale und internationale Standards.
Das Bundesinstitut bündelt und produziert Wissen und Exzellenz, es vermittelt seine Forschungsergebnisse durch Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen.
Das Bundesinstitut für Fotografie wird in Absprache mit den Urheberinnen und Urhebern der Werke und unter Einbeziehung rechtlicher Beratung Richtlinien und Methoden im Rahmen von Neuproduktionen von Abzügen entwickeln.
Die Kommission empfiehlt als möglichen Standort für das Bundesinstitut die Stadt Essen aufgrund einer hervorragenden Konzentration von Einrichtungen und vorhandener Sachkompetenz zum Schwerpunkt Fotografie.
Post bekamen auch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helge Braun und die vormalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters sowie Oberbürgermeister Thomas Kufen. Grütters hatte die Studien in Auftrag gegeben und nicht zuletzt auf dieser Basis in Essen die Hoffnung befeuert, man werde zum Zuge kommen.
Schreiben an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages
Betreff: Deutsches Fotoinstitut
Sehr geehrter Herr Professor Braun,
auf die Regierungsvorlage zur Ko-Finanzierung eines zu errichtenden Deutschen Foto-Instituts hat der Haushaltsausschuss in seiner Sitzung vom 10. November d.J. Mittel in Höhe von mehr als Euro Mio 40,00 für den Etat des Bundeskanzlers genehmigt. In der Regierungsvorlage war nicht allein das Projekt und die dafür benötigte Finanzierung angegeben, sondern zudem der Standort Düsseldorf. Üblicherweise wird die Eignung des Standorts nicht vom Haushaltsausschuss geprüft und entschieden, sondern von der Exekutive. Für das zu gründende Foto-Institut hatte die Vorgängerregierung wegen der Bewerbung der Städte Düsseldorf und Essen um dessen Ansiedlung ein Sachverständigengutachten sowie eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben; nach Prüfung aller für den Erfolg dieses Instituts erheblichen Kriterien kamen beide Fachgremien zu dem Ergebnis, dass der von der Stadt Essen angebotene Standort eindeutig dem von Düsseldorf vorzuziehen sei.
Aus der Entscheidung des Haushaltsausschusses über die Bewilligung der Mittel wird nun geschlossen, dass damit der Standort Düsseldorf festgelegt worden sei und die Ko-Finanzierung aus Bundesmitteln nur für die Errichtung des Deutschen Foto-Instituts an diesem Standort zur Verfügung stünden gegen alle sachlichen Gründe, die von den beiden Gutachten angeführt worden sind.
Im Interesse der sachgerechten Verwendung von Steuergeldern und der Transparenz staatlichen Handelns bitten wir Sie und den Haushaltsauschuss um Beantwortung folgender Fragen:
Ist der Standort Düsseldorf überhaupt Gegenstand der Entscheidung des Haushaltsausschusses gewesen oder hat der Ausschuss sich allein mit dem Projekt Foto-Institut befasst und die dazu beantragte Ko-Finanzierung genehmigt?
Gelten die genehmigten Mittel gegebenenfalls auch für den Standort, der aus sachlichen Gründen ausweislich der Gutachten, die die Regierung in Auftrag gegen hat, als der geeignetere festgestellt wurde?
Wird der Haushaltsauschuss in Kenntnis der Sachlage, dass die Regierungsvorlage die sachlichen Gründe der beiden Gutachten übergangen hat, bei dem weiteren erforderlichen Beschluss zu Freigabe der Mittel klarstellen, dass diese gemäß dem Gebot sachgerechten Einsatzes von Steuergeldern selbstverständlich für den Standort breitgestellt werden, an dem der Zweck des Instituts am besten erfüllt werden kann?
Gern erwarten wir Ihre Antwort und grüßen Sie sehr freundlich
Dr. Richard Kiessler
Dr. Axel Wiesener
Schreiben an den Oberbürgermeister der Stadt Essen
Btr.: Deutsches Foto-Institut
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
in der im Betreff genannten Angelegenheit sind in der Beschlussvorlage der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss alle Erkenntnisse unberücksichtigt geblieben, die zur Standortfrage für das zu gründende Institut in den von der Regierung dazu beauftragten Sachgutachten ermittelt worden sind. Deshalb haben wir die im Briefkopf genannte Bürgerinitiative gegründet; zunächst geht es darum zu klären, ob die genehmigten Mittel nicht auch für die Errichtung des Instituts am Standort Essen gemäß den Ergebnissen der Gutachten zur Verfügung stehen. Dazu haben wir in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Fragen aufgelistet, die wir Ihnen in Kopie des Schreibens zur Kenntnis geben.
Sollte die unter Ziff. 3 unserer Fragen angesprochene Möglichkeit einer Korrektur des Beschlusses in Frage kommen, werden Sie gewiss in Wahrnehmung Ihrer Aufgaben für die Interessen unserer Stadt alle Ihnen dazu verfügbaren Kräfte einsetzen, um den Ergebnissen der Sachgutachten zugunsten von Essen bei der Bereitstellung der Haushaltsmittel für die Ko-Finanzierung dieses Instituts Geltung zu verschaffen.
Wenn Sie uns dazu Ihre Meinung wissen lassen wollen, hören wir gerne von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Richard Kiessler
Dr. Axel Wiesener
Der Protest der Essener Initiative wird zudem von der Tatsache beflügelt, dass der von Düsseldorf seit Jahren ins Feld geführte Fotoinstitut-Standort am Hofgarten mittlerweile vom Tisch ist. Obwohl die Kritik an dem favorisierten Grundstück schon vor Jahren laut wurde, weil es erstens zu klein, zweitens aufgrund von Denkmalschutz als Baugrundstück eigentlich kaum durchzusetzen und drittens sogar noch hochwassergefährdet ist.
Nun hat in Düsseldorf eine hektische Suche nach einem Ausweich-Quartier begonnen. Was irgendwie den Eindruck vermittelt, die Düsseldorfer Akteure um Fotostar Andreas Gursky – die sich mittlerweile auch mit der Kölner SK Stiftung Kultur verbündet haben – hätten selber schon nicht mehr an den Zuschlag geglaubt, Bundesfotohauptstadt zu werden.
Nicht nur der bislang genannte Standort für ein deutsches Fotoinstitut am Rhein ist damit erst einmal futsch, sondern auch schon so manche Million. 500.000 Euro hat allein die von Kulturstaatsministerin Grütters in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie gekostet, die im März 2021 zu dem Urteil kam, dass Essen die besten Voraussetzungen und Kapazitäten biete, um ein zukunftsweisendes Institut für die Erforschung und den Erhalt des nationalen Fotoschatzes aufzubauen.
War die beauftragte Machbarkeitsstudie herausgeschmissenes Geld?
Das müsste man meinen, wenn man den Ausführungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth folgt, die in einem Interview unlängst erklärte, der Beschluss für den Standort Düsseldorf sei schon 2019 in einem früheren Bereinigungsausschuss gefällt worden und somit eben unabänderlich festgelegt. Die nun mit der neuen Ampelmehrheit herbeigeführte Entscheid sei nur eine zwangsläufige Bestätigung vorheriger Beschlüsse. „Wäre das zutreffend, hätte ihre Amtsvorgängerin Grütters die beiden Gutachten auf Staatskosten nicht mehr in Auftrag geben dürfen“, merkt der Architekt Axel Wiesener als treibende Kraft der neuen Bürgerinitiative an.
Ein passendes Grundstück auf dem Welterbe Zollverein steht weiterhin parat
Und auch sonst wollen Wiesener und der Journalist Richard Kiessler das Argument des einmal gefällten und damit unabänderlich gewordenen Beschlusses nicht gelten lassen: „Jeder Politiker weiß, dass jeder Beschluss eines parlamentarischen Gremiums von ihm selbst wieder geändert werden kann und sogar muss, wenn neue Erkenntnisse das zur sachgerechten Verwendung von Steuergeldern anzeigen“, heißt es in dem Schreiben der Initiative.
Dass die öffentlichen Millionen in Essen sachgerechter angelegt sind als in Düsseldorf, davon ist die Gruppe überzeugt. Denn während man in Düsseldorf nun darüber nachdenkt, ein altes Stadtpalais nebst Anbau für die Unterbringung wichtiger und empfindsamer Fotokunst aufzumöbeln – dessen Quadratmeterzahl zudem nicht annähernd dem Raumbedarf entsprechen dürfte, den man für die Aufbewahrung von Vor- und Nachlässen hervorragender deutscher Fotografinnen und Fotografen braucht – steht in Essen ein baureifes Grundstück auf dem Zollverein-Gelände parat. Dort könnte tatsächlich wohl das entstehen, was Kulturstaatsministerin Claudia Roth zuletzt auch baulich als „anspruchsvolles Vorhaben“ bezeichnet hat.
Der Berliner Beschluss – eine „Benachteiligung sondergleichen für das Ruhrgebiet“
Mancher beurteilt das Düsseldorf-Votum dabei nicht nur in der Sache als falsch, sondern empfindet es als „Benachteiligung sondergleichen für das Ruhrgebiet“. Auch der Essener FDP-Politiker Karlgeorg Krüger will sich mit der Entscheidung noch nicht abfinden. Ein Bundesinstitut für Fotografie sei ein bedeutender Standortfaktor. „Diese Förderung bekommt Essen nie wieder“, mahnte Krüger vor wenigen Tagen im Kulturausschuss, wo man die Debatte um den Fall Fotoinstitut allerdings nicht auf die Tagesordnung gerückt hatte.
Der frühere SPD-Ratsherr Hans Jürgen Spiess nutzte Krügers Redebeitrag vielmehr für einen parteipolitischen Seitenhieb. Dass die Entscheidung für Düsseldorf in Berlin gegen die Expertenmeinung durchgeboxt wurde, sei laut Spiess nicht zuletzt der Einflussnahme der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zuzuschreiben, die bei der letzten Kommunalwahl als OB-Kandidatin in der Landeshauptstadt angetreten war.
Dass die Düsseldorfer FDP-Frau im Vorfeld so einige Strippen gezogen hat, bestätigen viele. Überrascht hat es nicht. „Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass die Standortfrage, die sowohl von der Expertenkommission als auch in der Machbarkeitsstudie für Essen ausfiel, nicht Gegenstand parteipolitischer Einflussnahme wird und/oder (kommunal)politische Interessen die bundesweite und nationale Bedeutung des Instituts überlagern und unterminieren?“, hatten Grünen-Abgeordnete wie der Essener Kai Gehring schließlich schon im Sommer 2021 in einer Kleinen Anfrage an den Bundestag gefragt.
Initiative ist irritiert über die Funkstille im Essener Rathaus
Noch will man die Hoffnung in Essen nicht fahren lassen. Noch muss der Beschluss der Bereinigungssitzung in den nächsten Haushaltsausschuss. Noch könnten Projekt und Förderung in einer „neuen sachgerechten Entscheidungsvorlage“ möglicherweise abgesegnet werden, ohne den Standort endgültig festzulegen, hofften die Mitglieder der neuen Bürgerinitiative. Das, zumal Düsseldorf in der Grundstücksfrage mit gezinkten Karten gespielt habe, wie nun klar sei.
Etwas irritiert sind Wiesener und Co. allerdings über die derzeitige Funkstille im Rathaus. Auf eine erste, noch recht kämpferisch klingende Reaktion von Oberbürgermeister Thomas Kufen am 11. November („Düsseldorf ist der maximal zweitbeste Standort“) folgte zumindest nichts Vernehmbares mehr. Für Resignation sei es aber entschieden zu früh.