Am 31. Dezember gingen drei deutsche Kernkraftwerke in die Zwangsabschaltung, obwohl sich bereits die Erkenntnis durchsetzt, dass der Atomausstieg ein Fehler war. Warum gelang es trotzdem nicht, die Anlagen zu retten? Ein Einblick in das Geschehen vor Ort – und eine Suche nach den Ursachen und den verantwortlichen Akteuren.
Am Silvestertag ging das Kernkraftwerk Grohnde vom Netz. In diesem Kernkraftwerk habe ich sechs Jahre lang als Langzeitbeobachterin geforscht und Teile meiner Habilitationsschrift geschrieben. Und auch etliche Stücke für die Salonkolumnisten. Jetzt begleite ich die letzte Woche im Leistungsbetrieb und den Übergang in den Nachbetrieb und den Rückbau.
Abfahren
Man wird die Anlage abfahren, als ginge es in eine der über dreißig Revisionen, die die Mannschaft im Rücken hat. Ab 18 Uhr fahren sie schrittweise die Steuerstäbe ein und gehen mit 10 Megawatt pro Minute runter. Bei 25 Prozent Reaktorleistung öffnet die Frischdampf-Umleitstation, der überschüssige Dampf, den die Turbine nicht mehr braucht, wird dann direkt in den Kondensator geleitet. Kurz vor Mitternacht sind wir so weit unten, dass der Rückleistungsschutz die Turbinenschnellabschaltung auslöst. Die Schnellschlussventile werden zugeschossen, der Dampfstrom bricht ab, der Generatorschalter öffnet und trennt die Anlage vom Netz. Ab diesem Zeitpunkt werden unsere 70 Megawatt Eigenbedarf nicht mehr von uns produziert, und Grohnde hat seine im Atomgesetz festgelegte Frist erfüllt: Stillegung „spätestens zum 31.12. 2021“.
Danach wird der Reaktor auf drei Prozent Leistung abgefahren und die Reaktorschnellabschaltung betätigt. Es wird still sein auf der Kraftwerkswarte und einige werden sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen, bevor die Arbeit weitergeht. Der Primärkreislauf wird kaltgefahren. Ab 120 Grad Kühlmitteltemperatur wird die Nachwärme nicht mehr über die Dampferzeuger abgeführt, sondern übers Nachkühlsystem und die Nachkühlkette. Die Hauptkühlmittelpumpen werden abgeschaltet, die Nachkühlpumpen übernehmen die Umwälzung des Kühlmittels. Gegen Morgen werden die letzten Wölkchen aus den beiden Kühltürmen verwehen. Am Neujahrstag gegen Mittag wird der Reaktor auf „kalt, unterkritisch“ dastehen, noch bei ca. 50 Grad Celsius Primärkreistemperatur.
Es folgt ein langer Prozess mit vielen Tests und Prüfungen für die Systeme, die weiterhin gebraucht werden. Der Reaktorkern steht weiter in seinem Druckbehälter und wird nachgekühlt, bis er dann Anfang Februar ins Brennelementbecken umgeladen wird. Dann erst ist der Grohnder Reaktor im technischen Sinne Geschichte – eine kompakte kritische Anordnung, 4 Meter hoch, 2 Meter Durchmesser, welche die Anlage zur unbesiegten Weltmeisterin in der globalen Einzelblock-Stromerzeugung gemacht hat. Üer 400 Terawattstunden Strom wurden erzeugt und dabei – setzt man voraus, dass sonst Kohlekraftwerke gebaut worden wären – rund 400 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart.
Handeln wider besseres Wissen
Wir hätten dieses Kraftwerk und die beiden anderen Anlagen, die mit ihm gehen müssen – Brokdorf und Gundremmingen C – dringend gebraucht. Wir werden auch Isar-2, Emsland und Neckarwestheim-2 dringend brauchen, die Ende 2022 vom Netz gehen. Ein Blick auf die Klimabilanz unserer Stromerzeugung im Herbst und beginnenden Winter 2021/22 zeigt das. Die Atomkraftwerke haben dieselbe CO2-Bilanz wie Windkraft, 12 Gramm pro Kilowattstunde, sind aber so zuverlässig wie die Braunkohle. Sie erbringen gesicherte Leistung, die von intermittierend einspeisenden Erneuerbaren funktionell nicht ersetzt werden kann. Sie könnten uns durch diesen launischen Winter bringen, in dem über lange Zeiträume nicht genug Wind weht und die Solarenergie praktisch keine Rolle spielt. Es wäre sinnvoll gewesen, den Ausbau der Erneuerbaren auf den starken Schultern der Kernenergie zu betreiben. Längst ist diese Erkenntnis auch in Deutschland gedämmert. Immer häufiger wird es öffentlich thematisiert: Kein Industrieland der Welt ist auf einem überzeugenden Dekarbonisierungspfad – es sei denn, es nutzt Kernenergie oder Wasserkraft oder beides.
Doch Deutschland besitzt keine nennenswerte Wasserkraft, und die Kernkraft schafft es ab. Der Atomausstiegsplan von 2011 wird gnadenlos durchgezogen. Geboren wurde er in einem Zustand kollektiver Panik nach Fukushima, die auch das im Normalbetrieb nüchterne Kalkül der damaligen Kanzlerin Angela Merkel hinwegfegte. Vollendet wird er nun von einer Regierung, in der Ideologie über Klimapragmatik gestellt wird. Man peitscht den Plan durch – die Grünen können gar nicht anders, weil am Antinuklearismus ihre politische Identität hängt. Man peitscht den Plan durch – nicht, weil man ihn wirklich plausibel begründen könnte, sondern weil es der einzige Plan ist, den man in dieser ansonsten planlosen Energiewende hat.
Doch selbst bei verzeinzelten Grünen und Sozialdemokraten, bei der FDP und CDU/CSU sowieso, gibt es längst Zweifel am Atomausstieg. Die Umfragewerte weisen ebenfalls darauf hin: Deutschland ist auf dem Weg in einen Paradigmenwechsel. Doch aus reiner Trägheit macht man erstmal weiter wie bisher. Derzeit setzen deutsche Entscheider und NGOs, aber auch Klimaprofessoren und Klimabewegung alles daran, die Einbeziehung ausgerechnet der klimafreundlichen Kernenergie in die grüne Finanztaxonomie der Europäischen Union zu verhindern. Und damit wären wir bei der Frage: wer ist verantwortlich für das Verharren in der Fehlentscheidung?
Billige Kohle, mutloses Atom: eine deutsche Industriegeschichte
Um es gleich vorauszuschicken: es gibt kaum eine maßgebliche Akteursgruppe in Deutschland, die daran nicht eine Mitschuld trüge, und es sind nicht nur die Grünen und die Anti-AKW-Bewegung als übliche Verdächtige. Schauen wir sie uns also an und fangen wir oben an, bei den deutschen Stromkonzernen. So gerne zitieren Atomgegner jetzt die früher verhassten Bosse, dass wir uns ihre Position näher anschauen sollten. Sie seien „genervt“ von den kleinen, aber hartnäckigen Demonstrationen für Atomkraftwerke, die sie längst aufgegeben haben – so hört man es von energiewende-freundlichen Medien.
Die Konzerne haben jahrzehntelang an der Kernenergie gut verdient. Sie haben aber auch am Hü und Hott unserer wechselnden Atomausstiegs- und Laufzeitverlängerungspolitik vor 2011 gelitten. Jede Industrie braucht Planungssicherheit, und die hat der Staat ihr mehrmals versagt. Daher haben sie einigen Grund, jetzt nicht noch einmal „Hü“ zu schreien. Stattdessen haben sie sich ihr Stillhalten beim endgültigen Atomausstieg teuer abkaufen lassen. Sie kassieren Milliarden-Entschädigungen und haben für 24 Milliarden Euro das Endlagersuchrisiko an den Staat abgetreten. Unterm Strich ist das für ihre Aktionäre günstig, aber es zahlt sich als Verlust auf unserem Klimakonto aus.
E.on und RWE handeln, wie Unternehmen im Kapitalismus eben handeln. Ein Produktionsmittel hat ausgedient, weil es wegen mangelnder Akzeptanz oder Ende des staatlichen Rückhalts droht, unrentabel zu werden? Dann gibt man es auf. Dieses Kalkül ging zwar nicht ganz auf – bei den derzeitigen Gas- und Strompreisen sind die steuerlich abgeschriebenen Kernkraftwerke die reinsten Gelddruckmaschinen – aber die Konzerne schwimmen im Trend. Sie beherrschen das Greenwash-Newspeak von der grünen, sanften, smarten und gleichsam masselosen neuen Stromwelt perfekt. Keine lauten, großen Maschinen mehr, keine nervenden Atomaufsichten, keine Demonstrationen vor den eigenen Betrieben, keine eigenwilligen Belegschaften mit starken Betriebsräten – nur noch Netzmanagement, Stromvermarktung, smarte Designs, atomisierte Mitarbeiter und wartungsarme Anlagen in Subkontrakt-Stromfirmen ohne hohen Organisationsgrad. Die Tesla-Fabrik, eine verbotene Zone für Gewerkschaften, ist das Vorbild für die Energieindustrie der Zukunft. Aus der Sicht der Kapitaleigner zahlt sich das aus, denn die Risiken werden mit viel Staatsgeld zugeschüttet. Wer also meint, der „Markt“ habe die Kernenergie besiegt, der irrt.
Die deutsche Atomlobby existiert nicht mehr, wenn es je eine gab. Nie hat unsere ohnehin nicht sehr große Atomindustrie eine Vision über Klimaschutz mit Kernenergie entwickelt – vor Fukushima nicht und danach nicht, als noch Zeit gewesen wäre, Merkels Fehlentscheidung zu revidieren, beispielsweise nach der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris 2015. Das Potenzial hätten die Deutschen gehabt. Anlagen wie Grohnde, Brokdorf und Isar-2 erhielten nie Subventionen, hielten ihre Zeit- und Kostenpläne ein. Im Ausland werden sie bis heute als Benchmark der Reaktorsicherheit in ihrer Anlagengeneration geschätzt. Doch dies ist nun vorbei – deutsche Standards, deutsche kerntechnische Regelwerke spielen da draußen anders als früher keine Vorbildrolle mehr. Andere haben den Staffelstab übernommen.
Das hat vor allem einen Grund: Just als sie gelernt hatte, kostengünstig Kernkraftwerke zu bauen, hat die deutsche Industrie damit aufgehört – eingezwängt zwischen der Angstpolitik der Anti-AKW-Bewegung und der Lobbymacht der traditionalistischen Fossilokratie. An der Kohle hingen Arbeitsplätze und Identitäten: deswegen hing man an ihr. Die Kernenergie schuf nie Identitäten – außer bei ihren Gegnern. Auch deswegen ist die Kernenergie in Deutschland nie wirklich systemrelevant geworden – es gab immer die billige Kohle, die von SPD und Atomgegnern als „heimische“ Alternative zur Kernenergie euphemisiert wurde. Wer die Kohle nicht abschaffen wollte, dem mussten Kernkraftwerke natürlich als die Schuldigen an den damaligen Überkapazitäten gelten. Wer die Killer-Qualitäten der heimischen Kohle nicht sehen mochte, musste sich an den ausländischen Atomunfällen entsetzen, die nur einen Bruchteil der Fossil-Opfer forderten. Im heutigen Klimadesaster hängen sie also alle drin, von ganz links bis zur CSU.
Das grüne Versagen
Man muss sich nur die sorgenvollen Bundestagsanfragen der Grünen aus den 1980er Jahren ansehen, in denen vor der Verdrängung der „heimischen Kohle“ durch die Kernenergie gewarnt wurde, um von dem Glauben abzufallen, sie seien immer eine Klimaschutzpartei gewesen. Heute hindert ihr antinuklearer Gründungsmythos die Grünen daran, mutig den Schritt ihrer finnischen Parteifreunde zu gehen und zu sagen: Mittelfristig werden wir in einem Industriestaat mit unseren Strombedarfen ohne Kernenergie die Dekarbonisierung nicht schaffen, und ein Endlager brauchen wir in jedem Falle.
Diese grüne Blut-Schweiß-und-Tränen-Klimarede ist nie gehalten worden. Kein Habeck traute sich vors Mikrofon und sagte den Deutschen, dass buchstäblich alle sich von heiligen Kühen werden verabschieden müssen – die Hausbesitzer von ihren Ölheizungen, Autofahrer vom billigen Sprit und vom Dienstwagenprivileg, und die Grünen vom Atomausstieg. Dazu mochte sich keiner aufraffen – und daran werden wir scheitern, wenn kein Umdenken kommt.
Ein besonders schweres Versagen ist der deutschen Klimabewegung anzulasten. Sie hätte das Potenzial gehabt, durch Druck von der Straße das Schicksal der deutschen Kernkraftwerke zu wenden. Doch man merkt ihr man an, dass sie in der traditionsgrünen Denk- und Sprechweise gefangen ist, genau wie ihre Funktionärinnen, die ihre Werdegänge in grünen Strukturen absolviert haben. Kein frischer Gedanke kommt aus dieser Bewegung. Sie entscheidet sich gegen den sonst eifrig zitierten Weltklimarat, der für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels eine deutliche Steigerung der Kernenergieleistung für notwendig hält. Stattdessen schreit sie sich erfolglos die Seele aus dem Leib für ein Tempolimit, das allenfalls ein Zwanzigstel bis Dreißigstel jener CO2-Einsparung erbracht hätte, die man mit dem Erhalt der deutschen KKW hätte erzielen können.
Deutsche Wissenschaft vs. science
Den tiefgrünen Fridays for Future Germany springt die deutsche Energiewende- und Klimaforschungs-Academia bei. Im Herbst erstellten die deutschen „Scientists for Future“ mit viel Aufwand ein „Kernenergie und Klima“-Papier. Anders als behauptet wird in diesem Papier aber nicht die Klimaschutz-Qualität der Kernenergie evaluiert, sondern dargelegt, warum die Kernenergie zu dem von den 16 Autoren bevorzugten Energiesystem nicht passe – ein System, das zu 100 Prozent auf Erneuerbaren basieren soll. Wenig überraschend, dass 16 von 16 Autoren aus der Erneuerbare-Energien-Forschung oder der atomkritischen Gutachterszene stammen. Man stelle sich vor, die Klimabewegung hätte für ein Policy Paper zum Nutzen der Erneuerbaren Energien für den Klimaschutz eine Autorengruppe bestellt, deren Mitglieder sich vorwiegend mit Optimierungsstudien für die Atomindustrie und atomfreundliche Regierungen oder mit Gutachten gegen Windparks befassen. Aber auch ganz abseits dieser personellen Verflechtungen und Verpflichtungen ist das Papier inhaltlich von Fehlern und Verstößen gegen gute wissenschaftliche Praxis geprägt, wie ich in einem Gutachten zeigen konnte.
Nuklearfachlich unzuständige Fachleute vieler Disziplinen befassten sich in diesen Tagen angelegentlich mit der ungeplanten Nichtverfügbarkeit von vier französischen Kernkraftwerksblöcken, die ja beweise, dass die Kernenergie doch keine gute Option für den Klimaschutz sei. Der endgültige Verlust von drei deutschen KKW und 30 Terawattstunden jährlicher klimafreundlicher Stromproduktion bewegt sie indessen genausowenig wie die Tatsache, dass die deutsche Windkraft- und Solarleistung in diesem Winter tagelang bis zu 80 Prozent nicht verfügbar war. Stattdessen hören wir Nullsummenspiel-Predigten über die angebliche „Blockade“ der Erneuerbaren Energien durch die Kernenergie – wie so vieles in der deutschen Energiedebatte entbehren auch solche Behauptungen jeder Faktengrundlage, da nicht die Kernenergie Privilegien genießt, sondern die Erneuerbaren, und da die lastfolgefähigen Kernkraftwerke in den letzten Jahren ein ums andere Mal gezeigt haben, dass sie sehr gut zu Erneuerbaren passen.
Hass frisst Hirn
Was die Klimabewegung vorne, bei ihren Sprecherinnen und Wissenschaftlerinnen vorexerziert, zieht sich weiter durch die deutsche Klimajournalistik, die sozialen Netzwerke und die Niederungen der täglichen Twitterpolitik. Je tiefer man kommt, desto rauher wird der Ton. So richtig in Rage reden sich die engagierten Schreiber und ihre Leserschaft erst, wenn es gegen die Kernenergie geht. Ein Schema taucht immer wieder auf: wenn das sachlich-fachliche Argument, das man nicht hat, durch die AfD-Invektive ersetzt wird. Und so reden sie sich ihre Trägheit schön: Es kann nichts Gutes an der Kernenergie sein, wenn auch Rechte dafür seien. Regelmäßig werden die wenigen linken Kernenergiebefürworter als „rechtsoffen“ diffamiert – weil halt auch Rechte ihre Aussagen zur Kernenergie (nicht aber ihre Aussagen zum Klimaschutz) liken oder verlinken. Mir selbst ist es verschiedentlich so ergangen, und das tut weh. Am Mittwoch dieser Woche setzte der SPD-Politiker Ralf Stegner alle Befürworter der Kernenergie mit rechtsextremen Corona-Demonstranten und Querdenkern gleich, offenbar in Unkenntnis der Tatsache, dass die Atomangst und der Hass auf die angeblich erbgutschädigenden Kernkraftwerke gerade in jenen Impfgegner- und Heilpraktiker-Milieus weit verbreitet sind, welche diese Demonstrationen speisen. Stegner bekam denn auch Fotos von Helmut Schmidt, Emmanuel Macron, Joe Biden, Marie Curie und Albert Einstein zugeschickt, ergänzt um die Unterschrift: „alles rechte Atom-Trolle“.
Nicht besser wird es dadurch, dass die immer lauter werdenden Befürworter der Kernenergie es in Teilen nicht besser machen. Tumbes Grünen-Bashing, hanebüchen faktenbefreite Urteile über die Potenziale der Erneuerbaren Energien, Blackout-Angstmache, Liebäugeln mit autokratischen Regimes, die Kernenergie nutzen – alles ist dabei. Hass frisst Hirn auf beiden Seiten. Distanzierungsleistungen sind auf beiden Seiten leider kaum festzustellen.
Die deutsche Klimaschutz-Tragik
Die Tragik dabei ist letztlich, dass das dringend notwendige Bündnis progressiver Kernenergiebefürworter mit der Klimabewegung verunmöglicht wird – ein Bündnis, wie es etwa in Finnland längst möglich ist. Dort ging kurz vor Weihnachten ein neuer europäischer Reaktor in Betrieb und dort ist ein Endlagerbau im Gange, der allen zeigen wird: das Atommüllproblem ist lösbar. Doch die Deutschen wollen es anders. Hängt die deutsche Fridays for Future-Jugend sonst jedem Klimaforscher an den Lippen, so hatte sie nur ein Schulterzucken übrig für den großen James Hansen, der ihnen im November vor dem Brandenburger Tor ins antinukleare Gewissen zu reden versuchte.
Und so leistet sich Deutschland auf den Trümmern seiner Atomindustrie einen letzten, für den Klimaschutz destruktiven Frontenkrieg um die Atomkraft. Der lachende Dritte heißt Gazprom, und unsere CO2-Emissionen werden erstmal nach oben gehen – das gibt inzwischen selbst Minster Habeck zu. Die Ampelkoalition wird demnächst vor allem als Bauherrin von Gaskraftwerken und indirekter Finanzier von Putins Aggressions-Rüstungshaushalt in Erscheinung treten. Sie hat sich selbst in dieses Dilemma gebracht: Wer genügend Kernenergie hat, braucht auch weniger Gas aus Russland und kann die Braunkohle schneller loswerden. Stattdessen verlieren wir in diesen Tagen 4200 Megawatt klimafreundliche Kernenergieleistung, ohne dass jemand vor den Fenstern der Mächtigen protestiert – Mächtige und Protestbewegung sind in bester Eintracht anti-nuklear.
Die Autorin, Dr. Anna Veronika Wendland, ist Osteuropa- und Technikhistorikerin und liebt Grenzgänge zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Forschungsbedingt arbeitet sie ab und zu in Kernkraftwerken (z.B. im Kernkraftwerk Grohnde).